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B2B Commerce: Was kann der B2C-Handel davon lernen?

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Das Geschäft mit dem Endkunden – Business to Consumer (B2C) – unterscheidet sich in mancherlei Aspekten vom Geschäft zwischen Unternehmen – Business to Business (B2B). Doch immer wieder war in den vergangenen Jahren die Aussage zu lesen, man müsse der B2B-Kundschaft „B2C-ähnliche Erfahrungen bieten“.

Was genau das bedeuten soll, ist dabei jedoch meist unklar geblieben. Tatsächlich handelt es sich dabei um eine grobe Vereinfachung, denn jeder Marketing-Profi im B2B Commerce weiß, dass sich die Customer Journey im B2B-Bereich erheblich von der Herangehensweise in der B2C-Welt unterscheidet.

B2B-Kunden in der Industrie wollen keine B2C-Experience, sondern ein exzellentes B2B-Erlebnis“, hat kürzlich Dr. Christian Tribowski, Director Sales & Alliance bei IBM iX in einem provokanten LinkedIn-Beitrag geschrieben. Er begründet diese Aussage mit 5 überzeugenden Argumenten, warum es im B2B Commerce vor allem darauf ankommt, die Bedürfnisse von professionellen Einkäufern zu erfüllen.

Dennoch kann es sinnvoll sein, Elemente aus dem B2C Handel – wie etwa Produktsuche, Merchandising, Personalisierung und einfache Nachbestellung – zu übernehmen, um damit auch im B2B-Bereich entsprechende Nutzervorteile und zusätzlichen Mehrwert zu schaffen. Könnte aber auch nicht auch das Gegenteil der Fall sein?

Wie können B2C-Marken und Einzelhändler typische Features aus dem B2B Commerce übernehmen, um das individuelle Erlebnis der privaten Endkunden zu verbessern?

Bewusst oder unbewusst: Genau dies geschieht bereits, und es gibt noch viele interessante Möglichkeiten für künftige Innovationen zu entdecken.

Neue Zahlungsmodelle für den B2C-Handel

Netto-Bedingungen sind seit jeher ein fester Bestandteil von B2B-Transaktionen. Die übliche Zahlungsfrist liegt bei 30 Tagen, kann allerdings je nach Vereinbarung auch variieren.

Im B2C-Bereich gewann das Konzept durch die massenhafte Einführung von Sofortkauf- und Nachzahlungsoptionen (Buy now, pay later – BNPL) während der Corona-Pandemie an Popularität. Auch wenn BNPL im Grunde keine Innovation war, hat es fast 20 Jahre gedauert, bis Online-Händler diese Finanzierungsform als Reaktion auf den Bedarf nach flexibleren Zahlungsmöglichkeiten quasi über Nacht eingeführt haben.

Apple bereitet sich gerade darauf vor, noch einen Schritt weiterzugehen. Der Konzern testet derzeit langfristige 0-Prozent-Finanzierungen mit seinen Mitarbeitenden im Einzelhandel. Nach der offiziellen Einführung wird es sich dabei um eine Zahlungsoption für die wertvollsten und treusten Kunden des Unternehmens handeln.

Diese Option ist allerdings auch auf eine Untergruppe von Produkten beschränkt, die nur direkt bei Apple und nicht bei anderen Händlern gekauft werden können. Wer sie in Anspruch nimmt, kann so bis zu 24 Monate lang einen zinslosen Kredit aufnehmen.

Gerade für teure Anschaffungen ist das Modell weitaus großzügiger als herkömmliche Ratenzahlungsmodelle und war so bisher nur in der Automobilbranche zu finden. Das dürfte die Kundenbeziehungen stärken und wird sich ohne Zweifel auch positiv auf die Conversion Rate der Anbieter auswirken.

Auch andere Premium- und Luxusmarken wollen vergleichbare B2C-Zahlungsmodelle einführen und ihre besten Kundinnen und Kunden mit flexibleren Zahlungsoptionen belohnen, die im B2B Commerce bereits gang und gäbe sind.

Kontenmanagement & Einkaufsverwaltung

B2B Commerce zeichnet sich meist durch komplexe Einkaufsszenarien aus, die sich beispielsweise aus separaten Rechnungs-, Versand- und Verkaufskontakten zusammensetzen. Diejenige Person, die ein Produkt in der Fabrikhalle benutzt, ist oft nicht die Gleiche, die dessen Bestellung prüft und genehmigt, während wiederum jemand anderes für die Bezahlung zuständig ist.

Vergleichbare Konstellationen finden sich auch im B2C Commerce, wenn etwa Minderjährige etwas kaufen möchten, das von den Eltern bezahlt werden soll. Einige Marken haben bereits darauf reagiert und entsprechende Konzepte aus dem B2B Commerce übernommen.

Hollister, die auf Teenager ausgerichtete Bekleidungsmarke von Abercrombie & Fitch, führte während der Weihnachtssaison 2022 ein Konzept namens Share2Pay ein. Die Funktion erlaubt es der Zielgruppe des Fashionanbieters, einen Warenkorb zu erstellen und diesen dann direkt per SMS zum Beispiel an einen Elternteil weiterzuleiten, damit dieser den Kauf autorisieren kann. So können Mama oder Papa den Warenkorb vor dem Bezahlen überprüfen und gegebenenfalls bearbeiten.

Für die Marke bietet sich somit die Möglichkeit, ihre Zielgruppe mit denjenigen zu verbinden, die das Familienbudget verwalten. Es gibt aber noch viel mehr Beispiele. Neben der Modebranche können und sollten auch viele andere Industrien von dieser oder komplexeren Funktionen profitieren. Dazu zählen etwa die Lebensmittel-, Sportartikel-, Beauty- oder Elektronikbranche.

Die Möglichkeit für Familien, gemeinsam einzukaufen und gleichzeitig ihre Ausgaben zu verwalten, könnte im B2C Commerce neue Perspektiven für die Kundenbindung mit sich bringen.

Rabattstaffeln für treue Kundinnen und Kunden

Im B2B Commerce ist es schon seit Langem üblich, die Kundschaft für Großeinkäufe zu belohnen. Dabei verringert sich der Einzelpreis für ein Produkt je nach abgenommener Menge in mehreren Stufen. Verbrauchermarken können dieses Konzept für sich anpassen, um beispielsweise über punktebasierte Treueprogramme hinauszugehen.

Während die im B2B-Bereich üblichen Preisstaffelungen für die meisten B2C-Anbieter nicht praktikabel sind und Verbraucherinnen und Verbraucher selten in entsprechend großen Mengen kaufen, können sie per Segmentierung jene Kundengruppen definieren, die den höchsten Umsatz generieren –  und ihnen entsprechende Rabatte gewähren.

Dabei lassen sich Faktoren wie Kaufvolumen, Kaufhäufigkeit oder Retourenquote als Indikatoren für die Rabattstufen nutzen. So sparen berechtigte Kundinnen und Kunden bei jedem gekauften Artikel einen bestimmten Betrag, sofern es sich dabei nicht um einen bereits reduzierten Artikel handelt. Der Reiz höherer Rabattstufen, die der Kundschaft an diversen Kontaktpunkten präsentiert werden, kann dabei zu weiteren Einkäufen anregen.

Mit diesem Loyalty-Konzept gehen B2C-Anbieter über ein simples 80-20-Konzept hinaus, um ihre besten Kundinnen und Kunden zu belohnen, so wie es im B2B Commerce schon seit Langem praktiziert wird.

Exklusive Portale für B2C Commerce

Im B2B Commerce nutzen Anbieter spezielle Portale, um autorisierten Usern den Zugang zu Großhandelsangeboten oder anderen B2B-Ressourcen zu ermöglichen. Dieser Ansatz lässt sich auch auf den Consumer-Bereich übertragen, um der Kundschaft etwas zu bieten, wonach sie sich in fast allen Fällen sehnt: Exklusivität.

Diese „geheimen“, nur per Einladung zugänglichen Portale, sind von den herkömmlichen Websites einer Marke getrennt und nur einem Bruchteil der Kundschaft vorbehalten, der für den Zugang bestimmte Kriterien erfüllen muss – vergleichbar mit den Plattformen, die im B2B Commerce verwendet werden.

Auf solchen Websites können zum Beispiel Modemarken neue Kollektionen vorstellen oder der Kundschaft im Rahmen von „Trunk Shows“ oder „Sneak Peaks“ die Chance zur frühzeitigen Bestellung neuer Produkte geben. Einzelhändler können bevorzugten Kunden vorab den Zugang zu Aus- und Schlussverkaufsartikeln gewähren. Die Anwendungsfälle und Möglichkeiten sind zahlreich.

Es liegt also auf der Hand, dass Konzepte aus dem B2B Commerce auch im B2C-Einzelhandel von Nutzen sein können. Der gemeinsame Nenner hinter vielen dieser Konzepte ist es, die treusten und profitabelsten Kundinnen und Kunden mit einer besonderen Erfahrung zu belohnen.

Mehr dazu gibt es in unserem Leitfaden Wie der digitale Commerce profitabler wird


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